BNN vom 10. März 2002
Kein wirklich überzeugendes Argument für
den Tunnel
In den letzten Wochen habe ich 30 Stunden in zwei Arbeitskreisen der
Bürgerbeteiligung City 2015 und zwei Informationsveranstaltungen der Stadt
verbracht; und habe kein wirklich überzeugendes Argument für den Tunnel gehört.
Ja doch, die Kaiserstraße gehört entlastet. Aber im Tunnel ginge das Gedrängel
der Bahnen doch weiter. Es muss aufgelöst, nicht bloß in den Untergrund
verlagert werden, wo auch schwerlich Platz wäre für die geplanten weiteren
Linien. Schon deshalb wäre der Tunnel nur eine Scheinlösung und Sackgasse,
erkauft unter anderem mit fünf (vielleicht sogar sechs) neuen Rampen, die das
Stadtbild nicht zieren würden.
Die Lösung liegt "oben". Das Karlsruher Stadtgebiet ist topfeben, die
Anlage großzügig. Wo findet man bessere Voraussetzungen für eine oberirdische
Verlagerung einiger Linien? Eine zweite Maßnahme sollte hinzu kommen: Schluss
mit der Unsitte, von früh bis spät Bahnen durch die Kaiserstraße zu jagen, die
außerhalb der Hauptverkehrszeiten so gut wie leer sind. So ließe sich
vielleicht sogar Geld sparen, bestimmt aber Rücksicht üben.
Beide Maßnahmen brächten eine dauerhafte, ausreichende Entlastung der
Kaiserstraße. Der Tunnel wäre überflüssig, und mindestens eine Milliarde Mark
blieben im Topf. Dazu die enormen Betriebskosten, die "unten" zigmal
höher sind als oben. Sie wären nicht zuschussfähig, fielen also voll und
dauerhaft der Stadt zur Last.
Aber die Stadt stellt ja die Dinge so dar, als ob sie mit den ganzen Finanzierungsfragen
gar nichts zu tun hätte, da die Bauherrenrolle städtischen
Beteiligungsunternehmen zufalle. Doch gehören beide Unternehmen (KVVH und VBK)
direkt und indirekt zu 100 Prozent der Stadt, der sie also zuzurechnen sind.
Die Verkehrsbetriebe sind schon jetzt dauerhafte Verlustbringer und ohne
jährliche Ausgleichszahlungen ihrer Mutter, der Stadttochter KVVH, in
zweistelliger Millionenhöhe nicht lebensfähig. Wie hoch wäre der Zuschussbedarf
der VBK erst, wenn zu ihren Motorischen Verlusten nun die anteiligen Baukosten
für den Tunnel und die enormen laufenden Kosten des unterirdischen Betriebes
hinzukämen!
1996 sollte der Tunnel 390 Millionen Mark kosten. Jetzt sind es 1,3 Milliarden
Mark. Mehr als das Dreifache. Der Stein des Anstoßes, die Überlastung der
Kaiserstraße, wäre mit den erwähnten oberirdischen Maßnahmen für einen
Bruchteil dieser Riesensumme zu beseitigen.
Aber es geht nicht nur um Geld sparen. Der Innenstadt und besonders den
Anliegern der Kaiserstraße und ihrer Nebenstraßen (die den Bauverkehr und die
Baustelleneinrichtungen aufzunehmen hätten) sollte auch die unnötige
Leidenszeit von mindestens zehnjähriger Bauzeitdauer erspart werden: Fünf
offene Riesenbaustellen sind geplant, die den Fußgängerverkehr weitgehend zum
Erliegen brächten. So viele Opfer für einen überflüssigen Tunnel!
Übrigens fährt man oben sicherer als unten. Wie kommen die Fahrgäste heraus,
wenn unten - wie vor ein paar Jahren in München - ein Kabelbrand ausbricht, der
Tunnel sich schlagartig mit schwarzem Qualm füllt und die Sicht weg ist? Gut zu
verstehen, dass in den von mir besuchten Arbeitskreisen nur jeweils ein
winziges Häuflein von Tunnelbefürwortern anzutreffen war, und die waren nicht
sehr gesprächig.
Dr. Georg Büchner
Riefstahlstraße 10