Interview,
erschienen in der BNN vom 9. Juni 2002 auf Seite 29:
Tunnelgegner:
Die Kriegsstrassen-Bahntrasse ist die Chance zur städtebaulichen
und
sozialen Rehabilitation der Innenstadt.
Soll
in der Kaiserstraße ein Straßenbahntunnel gebaut werde oder gibt es andere
Möglichkeiten, die Innenstadt vom Straßenbahnverkehr zu entlasten?
Das
ist die zentrale Frage der Karlsruher Kommunalpolitik. Die Stadtverwaltung
favorisiert eine Unterpflaster-Straßenbahn (U-Strab), während die Kritiker
dieser Pläne argumentieren, mit einem solchen teuren und baulich aufwändigen
Projekt beschreite man den falschen Weg. Nachdem am vergangenen Samstag
Oberbürgermeister Heinz Fenrich an dieser Stelle zu Wort kam, stellte unser
Redaktionsmitglied Jürgen Gottmann nun dem Vorsitzenden der
Bürgerinitiative „Stoppt den
Stadtbahntunnel – für eine lebendige Innenstadt“, Knut Jacob, nachstehende
Fragen:
Frage 1: Sie halten die
U-Strab-Pläne für die falsche Lösung der Probleme in der Kaiserstraße. Was sind
die wichtigsten Gründe, die dagegen sprechen?
Ein
Straßenbahntunnel in der Kaiserstraße brächte keinen „Anschluss Zukunft“ sondern wäre das Ende einer
fortschrittlichen Innenstadtentwicklung. Das Festbetonieren der linearen Gleisstruktur
würde insbesondere die Entwicklung der City nach Süden nachhaltig behindern.
Die Verschlauchung der Kaiserstraße würde verewigt.
Die
Gleistrasse in der Kaiserstraße ist der Mittelpunkt eines Zentralnetzes. Auf
sie werden alle Bahnen konzentriert. Zentralnetze haben im Vergleich zu allen
anderen Netzen die geringste Kapazität. In Folge der in den letzten Jahren sehr
erfolgreichen Entwicklung des ÖPNV ist die Kapazitätsgrenze längst erreicht
worden. Sie wird zu bestimmten Tageszeiten sogar schon spürbar überschritten.
Das inzwischen als unerträglich empfundene Gedränge von zu vielen
Straßenbahnen, darunter die sehr großen Stadtbahnen, und Innenstadtbesuchern
fordert Abhilfe.
Bei der Vertunnelung wäre außerdem zu beklagen:
-
eine
durch den Höhenunterschied zwischen den Haltestellen unten und den Zielen oben
erheblich verschlechterte Erreichbarkeit
-
eine
Verschlechterung der sozialen Kontrolle und der Sicherheit im öffentlichen
Bereich
-
die
Verödung des benachbarten Strassenraumes durch Rampen
-
die
Verdrängung und Schließung von vielen Ladengeschäften in der Kaiserstrasse und
die Abwanderung eines Großteils der Kundschaft sowie der Verlust vieler
qualifizierter Arbeits- und Ausbildungsplätze durch die über zehn Jahre
dauernde Bauzeit
-
eine
spürbare Belastung der Stadt mit hohen Investitionskosten über viele Jahre und
mit unnötig hohen Betriebskosten auf Dauer. Aufwand und Nutzen stehen in keinem
Verhältnis.
Frage 2: Welche
Argumente gibt es für eine Straßenbahntrasse in der Kriegsstraße?
Eine Trasse auf der Kriegsstrasse würde nicht nur
die Kaiserstraße um bis zu 3 Linien entlasten, sondern vor allem auch die
Entwicklung der zentralen Innenstadt nach Süden fördern und viele wichtige
Ziele besser erreichbar machen. Der für eine ebenerdige Gleisanlage notwendige
Umbau der Kriegsstraße bietet die Chance zur städtebaulichen und sozialen
Rehabilitation der Innenstadt. Die jetzt hart getrennten Stadtteile können
wieder miteinander kommunizieren, wenn die Kriegsstrasse mit einer ebenerdigen
Abdeckung versehen wird. Mit dem Umbau bietet sich auch die Chance, vom Bahnhof
über den Festplatz, den Nymphengarten und Friedrichplatz eine durchgehende
Grün- und Fußgängerachse zum Schloß zu entwickeln.
Frage 3: Wie läßt sich der Autoverkehr der Ost-West-Verbindung Kriegsstraße mit der Straßenbahn vereinbaren?
Der Durchgangs-Individualverkehr muß vom Alten Friedhof bis hinter die Kreuzung Brauer-/ Reinhold-Frank-Strasse unterirdisch geführt werden. Die Straßenbahn und der Verteilerverkehr kann dann problemlos auf der ebenerdigen Abdeckelung untergebracht werden.
Frage 4: Die Abzweigung
von Straßenbahnen am Karlstor gelten
als problematisch. Teilen Sie diese Auffassung?
Unser oberirdisches Konzept lässt sich problemlos
realisieren. Schwierigkeiten gibt es nur dann, wenn ein Stadtbahntunnel mit
einer Kriegsstrassentrasse verknüpft werden soll. Dies ist ein Beispiel, wie
der Tunnel Netzerweiterungen im Wege
steht.
Frage 5: Die
Stadtverwaltung verweist auf das seit Jahren bekannte Gutachten, wonach die
Kriegsstrassen-Lösung vom Bund finanziell nicht gefördert wird, weil sie nicht
effektiv sei. Haben Sie andere Informationen?
Wie Sie bei der Formulierung Ihrer Frage schon richtig sagten, ist
dieses Gutachten seit Jahren bekannt – allerdings ist es inzwischen veraltet,
genauso, wie das meines Wissens nach nie fertig gestellte Gutachten für die
Kaiserstraße. Seit damals haben sich die Verhältnisse völlig verändert. Da
heute schon alle Linien, die damals als „Zuwachs“ für die Kaiserstraße gesehen
wurden, inzwischen realisiert sind, kann man mit ihnen nicht mehr als Gewinn
argumentieren. Andererseits gibt es auf der Kriegstraße viele neue Ziele
(List-Gymnasium, Mendelssohnzentrum, ECE, Landratsamt), die positiv in das
Gutachten eingehen werden. Wir sehen bessere Chancen für eine Bezuschussung der
Kriegsstraße, als für die Kaiserstraße, aber entschieden ist natürlich noch
nichts.
Frage 6: Welche anderen
Konzepte sollen geprüft werden?
nicht alle Fahrgäste (ca. 40%), die durch die
Innenstadt fahren, wollen auch dort hin. Es wäre eine wesentliche Entlastung,
wenn wir diese Fahrgäste auf direkterem Wege an ihre Fahrziele bringen könnten.
Deshalb müssen zusätzliche Quer- und Tangentialverbindungen geprüft werden. Dabei ist der Vorteil eines
Rasternetzes vorzustellen.
Frage 7: Sie
kritisieren den Umgang im Rathaus mit den Ergebnissen des
Bürgerbeteiligungsverfahrens. Was hätte besser gemacht werden sollen?
die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurde von der Stadt in der Öffentlichkeit völlig verzerrt dargestellt.
Mit der Umfrage vom Herbst 2001 wurden die Ergebnisse des Bürgerbeteiligungsverfahrens entwertet. Die Bürger haben viel Zeit und Engagement eingebracht um jetzt feststellen zu müssen, dass ihre Meinung eigentlich gar nicht interessiert.
Das Verfahren ist nicht mehr transparent, weil die jetzigen Gruppen „Experten“ und „Bürgergutachten“ hinter verschlossenen Türen tagen. Niemand weiß, welche Informationen ihnen zur Verfügung gestellt werden. Wenn sehr viele Teilnehmer beim Bürgergutachten mit der Materie noch wenig vertraut sind, kann die Auswahl der zur Verfügung gestellten Information einen enormen Einfluss auf deren Willensbildung haben.
Die Stadt hat schon bei den ersten AGen versucht,
Einflusss zu nehmen.
Mit den Karla Anzeigen zeigt die Stadt deutlich,
dass sie die interessierten Bürger nicht ernst nimmt.
500.000 € sind somit
vergeudet worden.
Frage 8: Dem
Oberbürgermeister wird vorgeworfen, die Bürgerbeteiligung habe für ihn
lediglich Alibifunktion, er nehme deren Ergebnisse nicht ernstund favorisiere
ohne Wenn und Aber die U-Strab. Was erwarten Sie von ihm?
Wir erwarten von ihm, dass er sich seiner früheren Erklärungen und Versprechungen „wenn das Bürgerbeteiligungsverfahren keine U-Strab ergibt wird ein Bürgerentscheid überflüssig“ erinnert, falls dieser Fall eintritt“.
Frage 9: Die
Bürgerinnen und Bürger haben am 22. September das letzte Wort in dieser
Angelegenheit. Glauben Sie, dass der Informationsstand bis dahin ausreicht, um
eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können?
Die Stadt tut bisher so gut wie nichts für eine ausgewogene
Information. Da sie nicht am Bürgerwillen, sondern nur an einem „Ja“ zum Tunnel
interessiert ist, informiert sie nicht objektiv über das Für und Wieder. Er
diffamiert zudem die Gegner. Es ist bezeichnend, dass der OB den Gegnern des
Tunnels vorgeworfen hat, sie würden eine öffentliche Debatte „lostreten“.
Bisher glaubten wir, nur Lawinen, also etwas Bedrohliches, lostreten zu können.
Es ist bezeichnend, dass der Oberbürgermeister sich von einer öffentlichen
Debatte anscheinend wie von einer Lawine bedroht fühlt.
Unsicherheit und Verschleierungstaktik prägen nach den für die
Rathausspitze enttäuschenden Ergebnissen der Arbeitsgruppen. Nach dem
derzeitigen Stand kann am 22. September keine sachgerechte Entscheidung
getroffen werden.