Interview, erschienen in Junge Welt vom 28.6.2002

Schauen die Karlsruher demnächst in die Röhre?

Interview mit dem Architekten und Stadtplaner Knut Jacob,
Vorsitzender der Karlsruher Bürgerinitiative "Stoppt den Stadtbahntunnel- für eine lebendige Innenstadt".

In Karlsruhe laufen alle Straßenbahnen oberirdisch. Das soll anders werden. Am 22. September werden die Karlsruher darüber abstimmen, ob ihre Kaiserstrasse durch eine Untetunnelung straßenbahnfrei gemacht werden soll. Ein Großteil der Bevölkerung sieht das von der Stadtverwaltung betriebene Millionenprojekt mit Skepsis.

Bereits im Oktober 1996 hatten sich die Karlsruher in einem Bürgerentscheid mit großer Mehrheit (67,41 Prozent) gegen die sogenannte "U-Strab" ausgesprochen. Warum soll jetzt ein zweites Mal abgestimmt werden?

Jacob: Mir ist unverständlich, warum Rathausspitze und Verkehrsbetriebe so hartnäckig an der Tunnel-Konzeption festhalten, die die Bürger bereits einmal abgelehnt haben. Sechs Jahre lang kam die Stadtverwaltung dem Auftrag des Bürgerentscheids von 1996 nicht nach, eine oberirdische Lösung für die vom Straßenbahn-Verkehr stark belastete Innenstadt vorzulegen, etwa durch einen Ausbau des oberirdischen Schienennetzes oder eine Rückverlegung der Quasi-Regionalbahnhöfe "Kaiserstraße" und "Marktplatz" an den Hauptbahnhof. Ganz im Gegenteil hat man die Situation eskaliert. In der Fußgängerzone drängeln sich inzwischen 66 Züge pro Stunde. Jetzt hält man die Bürger offenbar für ausreichend zermürbt, um ihnen das alte Tunnel-Modell in neuer Verpackung präsentieren zu können. Denn rechtlich ist es möglich, dasselbe Thema nach drei Jahren erneut aufzugreifen. Diesmal geht die Initiative jedoch von der Stadtverwaltung aus. Das tut sie, um den engagierten Bürgern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Worin unterscheidet sich denn das jetzt zur Abstimmung stehende U-Strab-Modell von dem alten Modell?

Jacob: Die Tunnelkonzeption von 1996 sah einen 2,3 Kilometer langen Tunnel unter der Kaiserstrasse mit einem unterirdischen Südabzweig am Marktplatz vor, ein T-Modell also. Dasselbe T-Modell steht jetzt erneut zur Abstimmung, diesmal mit dem netten Slogan "City 2015 - Anschluss Zukunft" und mit einer weiteren oberirdischen Straßenbahnstrecke parallel zur Fußgängerzone. Der Bau dieser Trasse liegt jedoch in unbestimmter Zukunft. Dieses sogenannte "Kombi-Modell" macht verkehrstechnisch in unseren Augen keinen Sinn. Es ist nur ein Köder, um den Tunnel besser zu verkaufen. Wir befürworten stattdessen einen oberirdischen Ausbau des bisherigen Zentralnetzes zu einem Vierecknetz mit zusätzlichen Quer- und Tangentialverbindungen. Das würde die Kaiserstrasse ausreichend entlasten und die Ängste vieler Menschen ernst nehmen, die sich in einem Tunnel unsicher fühlen und vor Unfällen, Bränden und Überfällen fürchten.

Warum werfen Sie dem Rathaus eine einseitige Informationspolitik vor?

Jacob: Oberbürgermeister Heinz Fenrich (CDU) hat ein Bürgerbeteiligungsverfahren für ca. 500.000 Euro durchführen lassen, dessen Ergebnisse jedoch in seinem Sinne umgedeutet. Er ist nicht am Bürgerwillen, sondern nur an einem "Ja" zum Tunnel interessiert. Auch in den städtischen Veröffentlichungen wird nicht sachgerecht über das Für und Wider informiert. Es wird vielmehr mit Steuermitteln Propaganda zugunsten des Tunnels betrieben. Der Verdacht liegt nahe, dass Herr Fenrich (damals zuständiger Bürgermeister für Verkehr), der bereits 1996 ein glühender Anhänger der "U-Strab" war, jetzt die alte Scharte auswetzen will.

Offenbar spielen auch Prestigeüberlegungen eine Rolle: Mit der geplanten straßenbahnfreien "Flaniermeile" in der Innenstadt will man Karlsruhe tatsächlich in eine Reihe mit Wien, Berlin oder Paris stellen- für mich ist das ein Ausdruck von Größenwahn.

Wie groß ist denn der Widerstand gegen die Tunnel-Röhre?

Jacob: Die Bürgerinitiative hat inzwischen über 12.000 Unterschriften gegen die Tunnellösung gesammelt. Wir stehen täglich - auch am Wochenende - mit Infoständen in der Innenstadt, planen Podiumsdiskussionen und weitere Informationsveranstaltungen. Der Widerstand gegen das Tunnelprojekt der Stadt wächst zunehmend. Daran beteiligen sich neben den vielen Bürgern mit ihren Unterschriften auch immer mehr politische und andere Gruppierungen. Wir hoffen beim Bürgerentscheid am 22. Sept. 2002 wieder - genauso wie 1996 - die Mehrheit für die Ablehnung des U-Strab-Tunnels zu gewinnen. Bis dahin wird sich die Überzeugung von einem rein oberirdischen Ausbau des Strassenbahnverkehrs durchgesetzt haben. Das 30%-Quorum der Wahlberechtigten dürfte bei der Zusammenlegung des Bürgerentscheides mit der Bundestagswahl keine Schwierigkeiten bereiten. Allerdings ist zu befürchten, daß die Bevölkerung durch die Irritationen und die undurchsichtige Informationspolitik der Stadt nicht ausreichend über die Projektplanung und die Alternativen dazu unterrichtet sein wird. Dennoch bin ich auch diesmal zuversichtlich.

Nähere Infos zur Karlsruher U-Strab gibt es im Internet unter www.stoppt-den-stadtbahntunnel.de

Interview: Martin Höxtermann